Skulputeren, weich und beissend-subversiv

Claes Oldenburg war bei weitem nicht der Einzige, der in den 1960er Jahren begann, genähte Stoff- oder Kunststoffhüllen zu polstern oder zu unterfüllen (also nicht das maximal mögliche Füllgewicht zu verwenden). Aber er war derjenige, der in Auseinandersetzung mit der Pop Art die prägendsten Soft Sculptures hervorbrachte und noch dazu diesen Begriff erfand. Die Wortfügung ist eigentlich ein Widerspruch in sich, bedeutet Skulptieren doch, dass harte Materialien durch Wegnahme bearbeitet werden. Dabei ist die Bildhauerei traditionell vom Ideal einer illusionistischen Lebendigkeit bestimmt. In Ovids Metamorphosen verliebt sich der Bildhauer Pygmalion in die von ihm besonders lebensnah geschaffene Statue der Galatea, die die Liebesgöttin Aphrodite tatsächlich zum Leben erweckt. Oldenburg ironisierte das Sinnlich-Erotische der Bildhauerei durch Schlaffheit:

Nur harte Gegenstände werden als Sujet für die weiche Verfremdung herangezogen. Das Weichmachen mag als pazifistisches Wunschdenken gelesen werden (weiches Auto, weiches Gewehr), als endloses Im-Bett-Bleiben, Vergnügen, als Plädoyer für medikamenteninduzierte Impotenz, Travestie, das Schmelzen von Barrieren, Subversion, als Anti-Ambition, als Projektion des Körpers, des Autorenkörpers, oder als Fingerzeig auf das weite vernachlässigte formale Gebiet des Nicht-Festen (Luftigkeit). Was auch immer gefordert ist – Weiches ist großzügig.

Großzügig ist auch seine Einladung an die Sammlerinnen und Sammler, die Auflagenarbeit Drum Set selbst zu arrangieren. Inspiriert durch den Augenblick, in dem ihm das New Yorker Guggenheim Museum mit seiner berühmten Rotunde wie ein Schlagzeug vorkam, entwickelte Oldenburg sein Multiple aus einer Reihe von Einzelteilen, die ganz nach Belieben zusammengestellt werden können. Für künstlerisch Überforderte dieser demokratisch-partizipativen Geste besteht die Möglichkeit, einfach alles in eine mitgelieferte milchige Kunststoffhülle stopfen.

Die Verulkung einer der berühmtesten Museumsarchitekturen kann auch als Angriff gelesen werden. Denn immer wieder reiben sich Künstlerinnen und Künstler an Gebäuden, die selbst wie monumentale Skulpturen wirken und damit der Kunst Konkurrenz machen.

Von beißender Angriffslust ist auch Christiane Möbus’ Arbeit Römisch, für die sie zwei Hula-Hoop-Reifen mit Samt bezogen hat. Reifen sind seit der Antike als Kinderspielzeug bekannt. Die Farben Rot und Violett aber sind in Rom kirchlich besetzt, durch die Chorgewandung römisch-katholischer Bischöfe und Kardinäle, deren Brustkreuz von einer Kordel gehalten wird. Schließlich spricht man vom Kardinal als Purpurträger. Nun lässt sich das sogenannte Hooping mit verschiedenen Körperpartien vollziehen. Der Hula-HoopReifen aber dürfte vor allem mit der Körpermitte und dem Hüftschwung assoziiert werden. Der halbtransparente Samtstoff gibt den Blick auf die Reifen frei und lässt an der Konnotation verbotener Erotik eigentlich keinen Zweifel. Heute, dreißig Jahre nach Entstehen der Arbeit, verschiebt sich ihre Bedeutung aufgrund der vielen schweren Missbrauchsfälle durch kirchliches Personal deutlich.

Starke Ambivalenzen zeichnet außerdem das Werk von Cosima von Bonin aus, auch wenn es sich durch sein einheitliches Weiß zunächst elegant zurücknimmt. Wäre die kleine Figur, die über dem Drehhocker hängt, in ihren eigentlichen Farben wiedergegeben, würde man sie wahrscheinlich sofort erkennen. Der schwarze Erpel Daffy Duck mit weißem Halsring, gelbem Schnabel, Ruten und Latschen (also Beinen und Füßen) treibt seit 1937 sein Unwesen als Comicfigur. Über die Jahrzehnte hat sich sein Charakter entwickelt, er ist immer hektischer und schlanker geworden. Von Bonin orientierte sich an der Frühphase mit noch gedrungen-niedlichem Kindchenschema. Unberechenbarkeit und Wandlungsfähigkeit aber zeichneten die Figur von Beginn an aus. Sie ist tollpatschig, eigensinnig, aggressiv und hinterlistig. Schrotgewehr und Pfanne entkommt sie zum Beispiel durch einen lasziven Striptease, bei dem auf absurd-herrliche Weise das Federkleid herunterrutscht. Kontrahenten, wie der vor Scham errötende Jäger oder auch Bugs Bunny, werden wiederholt geküsst. Eine Geste, die zwischen Überraschung, Überrumplung, Dominanz und Erotik changiert. Tatsächlich gibt es die Lesart von Daffy Duck und Bugs Bunny als homosexuellem Paar. Wenn von Bonin auf der Fahne eine der Hymen und gleichsam eine Ikone der queeren Gemeinschaft anklingen lässt, scheint sie auf diese Lesart zu zielen: Das Lied Nur nicht aus Liebe weinen wurde 1939 von Zarah Leander (1907–1981), einem Star des NS-Regimes, in einem Film gesungen. Leander kehrte noch 1942 in ihr Heimatland Schweden zurück, wo sie für ihre Zeit in Deutschland geächtet wurde. Daffy Duck jedenfalls liegt wie wild ergeben auf seinem Höckerchen. „Ich lüge auch und ich bin Dein“ ist da Verheißung wie Warnung zugleich. „Das Einzige, das die menschliche Erfahrung rettet, ist Humor“, hat Claes Oldenburg einmal gesagt.

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