In den 1920er Jahren entwickelten sich Hochschulen für Gestaltung, die das Leben in der Moderne ganzheitlich formen wollten. Die bekannteste ist sicherlich das Bauhaus, das 1919 in Weimar gegründet wurde, von 1926 bis 1932 in Dessau ansässig war, wo viele Gebäude noch heute erhalten sind, und schließlich unter politischem Druck 1933 in Berlin geschlossen wurde.
Während die Studierenden in den Vorklassen mit Materialkunde und gestalterischen Grundsätzen vertraut gemacht wurden, sollte das Lernen in den Werkstätten, wie Bühne, Fotografie, Plastik, Keramik, Metall, bewusst die Grenzen zwischen angewandter und freier Kunst überwinden. Was die Produktion für den Markt betraf, erwies sich die Werkstatt für Weberei als am erfolgreichsten. Die ausschließlich weiblichen Studierenden kamen meist ohne Vorkenntnisse und Erfahrung zum Weben, was zu großer Experimentierfreude führte. Neben manuellen wurden auch industrielle Webtechniken gelehrt. Dies war für den Vertrieb grundlegend, aber auch für eines der zentralen Anliegen des Bauhauses: Zugänglichkeit zu guter Gestaltung für weite Kreise der Gesellschaft. So sollte auch der Jacquard-Wandbehang von Gunta Stölzl ursprünglich in einer höheren Auflage produziert werden. Der fünfzügige Jacquardwebstuhl ermöglicht durch sein Lochkarten-System die beliebige Vervielfältigung; die Planung von Webarbeiten, die auf diese Weise produziert werden, gestaltet sich dabei komplex und detailintensiv. Die Umstände der Zeit führten dazu, dass nur zwei Wandbehänge des hier ausgestellten Motivs von Stölzl produziert wurden, von denen nur einer erhalten ist. Da dieser inzwischen zu fragil ist, um noch transportiert werden zu können, wird hier eine zeitgenössische Interpretation der Textilkünstlerin Katharina Jebsen gezeigt.
Anni Albers, ebenfalls Absolventin der Textilklasse, emigrierte als Jüdin 1933 mit ihrem Mann Josef Albers in die USA und lehrte dort am Black Mountain College, das nach dem Vorbild des Bauhauses gegründet worden war. Ihre Arbeit Vicara Rug von 1959 zeigt ein abstraktes Formenvokabular, das wie bei Stölzl aus der Webtechnik selbst resultiert. Für Albers, die ihren Wandbehang nach dem Markennamen einer neu entwickelten Faser aus Maisproteinen benannte, spielten ab Mitte der 1930er Jahre Reisen nach Südamerika eine immer wichtigere Rolle. Dabei entwickelte sie eine tiefe Wertschätzung gegenüber der Abstraktion in der indigenen Textilgestaltung.
Sophie Taeuber-Arp gehörte derselben Generation wie Albers und Stölzl an. Sie stand der Textilklasse an der Kunstgewerbeschule Zürich vor, war aber auch in den Bereichen Architektur, Bildhauerei und Tanz tätig. Auch sie zeigt im Textilen ein abstraktes Formenvokabular, das sich ästhetisch sowohl von der Konkreten Kunst als auch vom Dadaismus her entwickelt. Letzteres tritt besonders in einer Fotografie von Taeuber-Arp und ihrer Schwester in selbst entworfenen Kostümen, die der traditionellen Bekleidung der Hopi nachempfunden sind, hervor. Hier zeigt sich die Mannigfaltigkeit textiler Abstraktion zwischen europäischen Kunstrichtungen und der Faszination für indigene Kulturen.
Die sogenannte Fiber Art der 1960er und 1970er Jahre kann leicht als Modeerscheinung missverstanden werden. Betrachtet man die hier ausgestellten Arbeiten von Lenore Tawney, fühlt man sich sogleich an die Makramé-Objekte der Zeit erinnert. Tatsächlich hatten die Künstlerinnen und Künstler dieser Richtung häufig schon lange zuvor textil gearbeitet. Durch die Etablierung des Begriffs Fiber Art eröffneten sich jedoch eine neue Wahrnehmung und Wertschätzung von textiler Kunst, sowohl im Ausstellungswesen als auch auf dem Kunstmarkt. Seit 1962 fand in Lausanne die Biennale der Tapisserie statt. Magdalena Abakanowicz gehörte zu den Künstlerinnen, die hier regelmäßig ausstellten. Ihre Arbeiten, etwa Abakan Red, zeigen eine Entwicklung der textilen Kunst hin zur monumentalen Bildhauerei. Textil in größerer Menge zu verwenden und damit die Eigenschaft des Fragilen zu überwinden, zeichnet die Werke dieser Zeit aus, wie auch Ritzi und Peter Jacobi zeigen.
Die Anerkennung der skulpturalen Qualitäten von Textil erhielt in den 1960er Jahren noch von anderer Seite Bestärkung. Es war die Zeit, in der Künstlerinnen und Künstler begannen, mit neuen, kunstuntypischen Materialien zu experimentieren. Latex, Blei und verschiedene Textilien (Gaze, Satin, Tüll) kamen zum Einsatz und betonten das Prozesshafte und Unabgeschlossene, das der traditionellen Bildhauerei fremd ist. Man verzichtete bewusst auf Sockel und erprobte das Verhältnis von Boden und Wand. Robert Morris ist dahingehend einer der Protagonisten der sogenannten New Sculpture. Seine von der Wand herab hängenden Filzobjekte unterliegen der Schwerkraft, so dass ihre Form nie endgültig ist.