NERVEN

Robert Reinert schildert in seinem Film die nervenaufreibende Zeit nach dem Ersten Weltkrieg anhand der Einzelschicksale dreier Protagonisten aus verschiedenen Gesellschaftsschichten: vom Fabrikbesitzer, der stellvertretend für den Kapitalismus steht, bis hin zu denjenigen, die zu sozialen Reformen aufrufen oder gar einen bewaffneten Aufstand fordern. Damit wird Kritik geübt an der Ungleichheit zwischen Kriegsgewinnern und -verlierern. "Gegensätze schwerster Art sind zwischen Besitzenden und Nichtbesitzenden entstanden. Sie wollen Macht – Ihr wollt Brot! Über blutigen Schlachtfeldern trauern Völker. Das ist das Ende jener Machtgier, die – einem abscheulichen Untier gleich – im Blutrausch über die Erde schreitet", lautet einer der Zwischentitel.

Mit Nerven (1919) hat Robert Reinert ein Zeitdokument geschaffen, das die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Probleme jener Zeit thematisiert. Wahnvorstellungen und eine kollektive Psychose werden direkt mit den noch nicht verarbeiteten Erlebnissen des Ersten Weltkriegs und den Wirren der Nachkriegszeit in Verbindung gesetzt. Auch in der bildenden Kunst werden Themen wie psychische Abgründe und eine zutiefst gespaltene Gesellschaft aufgegriffen. Neben Darstellungen toter und verwundeter Soldaten, die die Auswirkungen des Krieges explizit aufzeigen, verweisen Porträts wie Mann im blauen Rock (1915) auf die traumatischen Erfahrungen einer ganzen Generation. Die fahle Hautfarbe, hängenden Schultern und der leere Blick aus geröteten Augen zeugen von der durch Krieg, politische Unruhen, aber auch durch das schnelle Leben in den Großstädten ausgelöste "Neurasthenie" – ein damals vielfach diagnostiziertes Krankheitsbild, das durch Überreizung Symptome wie Ermüdung und Ängstlichkeit verursachte. Mit beißender Satire illustriert George Grosz in der Mappe Ecce Homo (1923) die Spaltung der Gesellschaft in den Zwischenkriegsjahren: Kriminalität und Prostitution bestimmen den Alltag und auf der Straße begegnen sich Kriegsversehrte und Spießbürger mit gegenseitiger Ablehnung.

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Details zum Film:

Nerven, 1919 (110 Minuten)
Regie: Robert Reinert
Drehbuch: Robert Reinert
Produktion: Robert Reinert
Produktionsfirma: Monumental Filmwerke GmbH, München
Kamera: Helmar Lerski

Besetzung:
Fabrikbesitzer Roloff: Eduard von Winterstein
Roloffs Frau Elisabeth: Lia Borré
Roloffs Schwester Marja: Erna Morena
Lehrer Johannes: Paul Bender
Johannes‘ blinde Schwester: Lili Dominici
Marjas frühere Amme: Margarete Tondeur
Mann in den Visionen: Paul Burgen

 

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