Nachgefragt: Im Mantel ins Museum?

Elena Seib ist Mitarbeiterin im Marketing-Team der Kunsthalle

Nachgefragt: Im Mantel ins Museum?

Seit einigen Monaten ist Elena Seib neu im Team der Kunsthalle. Die erfahrene Marketing-Kollegin geht aufmerksam durch das Haus und hakt nach, wo ihr interessante Besonderheiten und museumstypische Fragen ins Auge fallen – so wie diese hier: Warum sind regenfeuchte Jacken in den Ausstellungsräumen nicht erlaubt? Elena Seib hat nachgefragt.

Seit die Kunsthalle vor einigen Wochen aus Einsparungsgründen die Raumtemperatur auf 19 Grad gesenkt hat, erlaubt sie das Tragen von Jacken und Mänteln in unseren Ausstellungsräumen. Dies war aus Sicherheitsgründen vorher nicht gestattet. Doch die Besucher sollen sich wohlfühlen und die Kunst entspannt genießen – das dürfen sie allerdings nur in trockener Bekleidung. Warum eigentlich?

Sammeln, Bewahren, Forschen und Vermitteln – das sind die wesentlichen Aufgaben eines Museums. Sie unterliegen den international gültigen Standards der ICOM (International Council of Museums). Und gerade bei nassen Jacken geht es um die Aufgabe des „Bewahrens“:  Es gehört zu den primären Zielen, die Kunstwerke für kommende Generationen zu bewahren. Wir müssen also optimale Bedingungen schaffen, um dieser Verpflichtung nachzukommen. Dazu gehört vor allem auch die konstante Luftfeuchtigkeit.

Das optimale Raumklima für den Erhalt von Kunstwerken hat konstante Temperaturen und eine Luftfeuchtigkeit von ca. 50 %. Mit viel Technik, einem Klimahaus gleichzusetzen, versuchen wir, den äußeren Einflüssen entgegenzuwirken. Gerade hier an der Nordseeküste ist es allein schon aufgrund des Standortes eine besondere Herausforderung, die hohe Luftfeuchtigkeit auszugleichen. Der November ist z.B. der Monat mit der höchsten relativen Luftfeuchtigkeit (ca. 86 %) und durchschnittlich 10 Regentagen im Monat. Stellen wir uns nun vor, die Besucher gehen mit nassen Jacken in die Ausstellungsräume. Mit den Textilien wird eine große Menge an Feuchtigkeit in das Raumklima eingebracht. Wir können erahnen, welche Höchstleitung die Maschinen erbringen müssten, um die Feuchte im zulässigen Wertkorridor halten zu können. Aller Voraussicht nach wäre ein Ausgleich durch die Klimatechnik dann sogar unmöglich.

Aber was genau würde mit den Kunstwerken passieren? Lena Waldmann, Restauratorin der Kunsthalle Emden, erklärt: „Zu hohe Feuchtigkeit kann dazu führen, dass Objekte auf Papier (gerade bei Nolde und Rohlfs sehr viel vertreten) anfangen, sich zu wellen, oder es können sich im schlimmsten Fall sogar Stockflecken bilden. Gemälde, die auf einem textilen Träger gemalt wurden, können sich durch die hohe Feuchtigkeit im Gewebe deformieren. Dadurch kann es zu Rissen in der Malschicht kommen oder die Malschicht hebt sich ab. Dabei könnten im schlimmsten Fall irreversible Schäden, d.h. Schäden die nicht rückgängig gemacht werden, entstehen. Daher ist eine konstant einzuhaltende relative Feuchte in den Ausstellungsräumen so wichtig.“

Um solche Schäden und damit auch Wertverlust zu vermeiden, brauchen wir also eine konstant geregelte Luftfeuchtigkeit. Und dafür ist die anspruchsvolle Klimatechnik so wichtig. Lena Waldmann, die mit digitalen Messgeräten die relative Luftfeuchtigkeit genau beobachtet, und das Team der Haustechnik, das die Klimaanlage regelt und anpasst, sorgen damit in der Kunsthalle für den Erhalt der Bilder. Aber auch für die Ausleihe von Kunstwerken zwischen den verschiedenen Museen sind konstante Werte von essentieller Bedeutung. Bevor ein Kunstwerk auf Reisen geht, werden die Klimawerte des ausleihenden Museums genau geprüft.

Und weil auch noch viele kommenden Generationen in den Kunstgenuss kommen sollen, erlauben wir keine nassen Jacken in der Ausstellung.

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