Einer der neuesten Zugänge zur Sammlung der Kunsthalle ist das Ölgemälde Pferdespielzeug, um 1910, von Maria Marc (1876 Berlin -1955 Ried, Gemeinde Kochel am See). Elke Haan stellt uns das Werk vor: 

Eine ungewöhnliche Kombination von Gegenständen zeigt das von Maria Marc, geb. Maria Franck, gemalte Stillleben aus ihrem Frühwerk. Wie zufällig angeordnet stehen drei Pferdespielzeuge unterschiedlicher Farbe und Größe auf einer Tischoberfläche. Das Augenfälligste von ihnen ist ein hell angestrahltes, weißes Holzpferd auf einer Unterlage aus Rollen im Bildhintergrund, dann, in der Mitte des Bildes, ein kleines braunes Pferd vor einem blauen Karren auf Rädern und im Schatten am linken Bildrand ein sich zur Mitte hinwendendes, dunkelbraunes Pferdespielzeug. Es ist ein einfaches Kinderspielzeug, das in den Jahren um 1910, in denen das Gemälde entstand, durchaus üblich war. Hinzugefügt ist ein orangefarbener Kürbis, in dem eine türkisfarbene Kerze steckt, daneben eine weitere Kerze, die beiden einzigen Lichtquellen der Szenerie. Abgeschnitten vom rechten Bildrand eine Glasvase mit einem Blumenstrauß. Im Vordergrund und zwischen den Spielzeugen grünes Laub. Obwohl den Gegenständen noch ihre natürliche Farbigkeit belassen wird, ist es der Künstlerin wichtig, Farbkontraste zu setzten, und die Wirkung des Kerzenlichts auf Oberflächen der Gegenständenzu zeigen. Eine fast feierliche-fröhliche Stimmung liegt über den Dingen.

Maria Marc, die zweite Ehefrau des Malers Franz Marc, wurde 1876 in Berlin in eine gutbürgerlichen Familie geboren und nahm 1899-1902 Kunstunterricht im Damenatelier der Kunstakademie in Berlin, begleitet von Sommeraufenthalten zur Freilichtmalerei in der Holsteinisches Schweiz. 1902-1903 finanzieren ihr die Eltern einen ersten Studienaufenthalt in München an der sogenannten Damenakademie des Münchner Künstlerinnenvereins. Bis zur Einführung des Frauenwahlrechts 1919 war es Frauen nicht gestattet, sich an staatlichen Kunstschulen einzuschreiben, sondern sie mussten mit finanzieller Unterstützung privaten Unterricht nehmen. In München lernt Maria bei Max Feldbauer, der ihre Malerei in den Anfangsjahren stark geprägt hat: breite Pinselstriche, lichte Atmosphäre und helle Farben.

1906 lernt sie auf einem Bauernball Franz Marc kennen und geht mit ihm eine zunächst heimliche Liebesbeziehung ein. Gemeinsame Malaufenthalte in Kochel, Lenggries und ab 1909 im abgelegenen Sindelsdorf folgen. 1910 ziehen die beiden endgültig in eine Wohnung im Haus des Schreinermeisters Josef Niggl in Sindelsdorf ein. Marias zentrales Thema werden Kinderbilder, vor allem die Kinder der Familie Niggl, und Kinderspielzeug. Zu ihrem großen Kummer sollte sich Marias eigener Kinderwunsch nicht erfüllen.

Den Namen Der Blaue Reiter erfanden wir am Kaffeetisch in der Gartenlaube in Sindelsdorf.

Wassily Kandinsky

1910/1911 sind entscheidende Jahre für das Künstlerpaar. Franz Marc besucht die zweite Ausstellung der Neuen Künstlervereinigung München. Erste Kontakte zu Macke, Jawlensky, Münter und anderen Künstlern im Aufbruch werden geknüpft und in Sindelsdorf schließlich der Name der für die moderne Kunst wegweisende Künstlergemeinschaft Der Blaue Reiter erfunden. Wassily Kandinsky erinnert sich: „Den Namen Der Blaue Reiter erfanden wir am Kaffeetisch in der Gartenlaube in Sindelsdorf. Beide liebten wir Blau, Marc – Pferde, ich- Reiter. So kam der Name von Selbst. Und der märchenhafte Kaffee von Frau Maria Marc mundete noch besser.“

Als 1914 ihr Mann Franz freiwillig in den ersten Weltkrieg zieht, stellt Maria ihre Malerei vollkommen ein und beginnt nach Skizzenbüchern ihres Mannes zu sticken.

Nach seinem Tod auf den Schlachtfeldern bei Verdun 1916 widmet sie sich fast ausschließlich der Nachlassverwaltung seiner Werke und Schriften. 1922 beginnt sie ein Studium der Webkunst am Bauhaus in Weimar und widmet sich fortan der Herstellung von Webteppichen.

Maria Marcs Werk und Leben ist exemplarisch für viele Künstlerinnen um die Jahrhundertwende, insbesondere auch die im Umkreis des Blauen Reiters, die um Emanzipation und Anerkennung ihrer Kunst kämpfen und mit dem traditionellen Rollenbild der Frau, mit finanzieller Abhängigkeit und mit fehlender Wertschätzung ringen mussten. Franz Marc hingegen schätzte nicht nur ihren „märchenhaften Kaffee“, sondern drängte sie zu mehr Selbstbewusstsein: „Weißt Du, an was ich jetzt immer denke? Du weißt es; ich will, dass Du bis dahin auch ganz selbstständig fühlend, - rücksichtslos, - geworden bist. Ich will Dich sicher noch einmal an der Hand führen, um Dir die Wunder der Welt zu zeigen in einem schönen Sommer“ (Franz Marc an Maria Marc, 19. Juli 1907).

Maria Marcs Gemälde Kinderspielzeug offenbart ihre zugleich Sehnsucht nach häuslichem Idyll und Familienglück sowie das Bestreben als Künstlerin zu einer eigenen Kunstsprache zu finden. 2022 konnte es mit Hilfe der „Freunde der Kunsthalle e.V.“ angekauft und damit die Sammlung um eine weibliche Position erweitert werden.

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