K.H. Hödicke, Flock of Sheep I (Schafherde), 1985, Kunstharz auf Nessel © VG Bild-Kunst, 2021

Kunstwerk des Monats: K.H. Hödicke, "Flock of Sheep I", 1985

Elke Haan stellt Ihnen das Kunstwerk des Monats April 2021 vor: K. H. Hödicke, Flock of Sheep I, 1985, Kunstharz auf Leinwand, 105 x 145,8 cm. Schenkung der Freunde der Kunsthalle e. V. „In Memoriam Jann Berghaus“, 1998

Wie der Bildtitel Flock of Sheep I schon sagt, zeigt das 1985 entstandene Bild des Malers K. H. Hödicke (* 1938) eine Herde von Schafen, die friedlich, ja geradezu idyllisch anmutend und fast ohne jegliche Anzeichen von menschlicher Anwesenheit auf einer grünen Wiese weidet. Lediglich die Perspektive des Bildbetrachters leicht erhöht von oben herab auf die Tiergruppe ist die eines Menschen, die des Hirten womöglich. Von Menschenhand zeugt zudem die blaue Farbe auf den Rücken der Tiere, Markierungen, die sie als Besitztum von Menschen zeigen. Dichtgedrängt in einem Rund beugen sie sich mit ihren charakteristisch schwarzen Köpfen und Beinen und weißen Wollleibern hinab ins Grün, schauen umher oder sich an, berühren sich leicht. Die Tiere sind vertraut miteinander, leben in einem friedlichen, harmonischen Sozialverband.

Raum und Bildtiefe erreicht der Maler durch perspektivische Verkleinerung der Tierkörper von unten nach oben. Die Tiere im Vordergrund sind zudem detaillierter ausgeformt. Eine leicht wellige Landschaftsform ist erkennbar und rechts oben in wenigen waagerechten Pinselstrichen die Brandung der See angedeutet. Mit breiten Pinselstrichen setzt Hödicke sein Motiv, die flauschig-flockigen Schafe, in vereinfachter, charakteristischer Form auf oder besser in den leuchtend-sattgrünen Hintergrund. Wo verdünnte Farbe verläuft, wird sie zu Wollunterleibern oder Grashalmen. Farbe ist sowohl für ihn Mittel der Darstellung als auch Gegenstand des Bildes. Die wiederkennbaren Figuren entstehen aus dem Malprozess, schwanken zwischen Form und Farbe. Der Farbklang Grün-Blau-Weiß strahlt Ruhe und Frieden aus.

Hödicke, der seit 1959 in Berlin lebt und arbeitet, studierte bei Fred Thieler, einem der bedeutendsten Vertretern der informellen Kunst im Nachkriegs-Deutschland. Bereits Anfang der 60er Jahre wandte sich Hödicke sich mit einer Reihe von gleichgesinnten Künstlern einer neuen gegenständlich-expressiven Malerei (Neoexpressionismus) zu und gilt als damit einer der Väter der sich 20 Jahre später etablierenden „Neuen Wilden“. Hödicke selbst bezeichnete sich als „trainierten Tachisten, der figurative Bilder malen will“.

Von 1974-2005 Professor an der Hochschule der Künste Berlin, fuhr Hödicke ab 1981 regelmäßig nach Irland und schuf eine Reihe von Bildern, die das raue, abgeschiedene, fast archaische Leben an der Westküste zeigen. Irlands Landschaftsbild ist noch heute geprägt von halbdomestizierten Schafen und weiter, grüner, baum-und strauchloser Landschaft. Das vermeintliche Idyll jedoch wird in Frage gestellt, wenn man weiß, dass diese Tiere, die mit etwa 8 Millionen doppelt so viele wie Einwohner Irlands zählen, eine ökologische Katastrophe für die Insel bedeutet haben: die einst von Wäldern und einer Vielzahl von Pflanzen mit einer reichen Fauna gesegnete Insel, wird nun von einer die Landschaft kahlfressenden und damit auch den Lebensraum einer Vielfalt von anderen Tieren zerstörenden Tierart beherrscht, deren Nutzen für den Menschen lediglich nur noch in ihrem Fleisch liegt.

Mit diesem Wissen bekommt das Motiv der Schafherde, das schon in steinzeitlichen Höhlenmalereien erscheint und auch eine große Bedeutung in der christlichen Ikonografie hat, einen anderen kulturellen, fast bedrohlichen Kontext.

Das Werk ist in der Ausstellung „WILD/SCHÖN. Tiere in der Kunst“ (bis 04.07.2021) zu sehen.

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