Kunstwerk des Monats ist das "Stillleben mit rosa Krug", 1948, von Franz Radziwill (1895 Strohhausen/Wesermarsch – Wilhelmshaven 1983). Das Ölgemälde im Format 48,5 x 30 cm ist eine Dauerleihgabe aus der Radziwill Sammlung Claus Hüppe an die Kunsthalle Emden. Elke Haan bringt uns das Gemälde näher:

Eine meditative Ruhe, fast Erhabenheit, strahlt Franz Radziwills „Stillleben mit rosa Krug“ aus dem Jahr 1948 aus. Ein in schwarz-weiß quer gestreiftes Tuch bedeckt einen Tisch, auf dem vier Gegenstände des täglichen Gebrauchs angeordnet sind. Ein bauchiger Krug aus rosa glasierter Keramik mit einem länglichen Hals mit Zinndeckel beherrscht die Szenerie. Sein Henkel ist dem Betrachter zugewandt und zum Greifen nah. Seitlich und etwas weiter nach hinten gerückt steht ein weiterer, kleinerer Keramiktopf mit flachem Deckel und in einem feinen Grauton. Radziwill, der der Sohn eines Töpfers war, greift in diesem Stillleben auf einfache, in ihrer Schlichtheit schönen Gegenstände aus seinem Lebensumfeld zurück. Zu den beiden Keramikgefäßen gesellen sich davor eine reife, gelbe Birne und rechts daneben ein geschlossenes Buch, dessen Buchseiten dem Betrachter zugewandt sind. Sie sind Symbole für leibliches und geistiges Wohl, und insbesondere die reifende Frucht, die Birne, verweist auf die Vergänglichkeit allen Irdischen. Der moosgrüne Hintergrund in einem unbestimmt tiefen Raum bildet den Farbkontrast und die Bühne. Der Betrachter befindet sich auf Augenhöhe mit der Tischkante, so dass er die Gegenstände leicht erhöht sieht.

Der Lichteinfall von links oben, der sich auf den glatten Keramikflächen spiegelt, die feine Modellierung der Farbe und die Staffelung der Gegenstände erzeugen nicht nur Plastizität und Räumlichkeit, sondern anders als in den energiegeladen-wild bewegten und flächig gehaltenen Werken der Expressionisten, Ruhe, Stille und Harmonie.

Radziwill, dessen Frühwerk sich noch an der farbstarken Kunst der Expressionisten orientiert, wendet sich ab den 1920er Jahren zunehmend einer gegenstandstreuen Sachlichkeit zu. Auf Anraten des Brücke-Malers Karl Schmidt-Rottluffs besucht er 1921 das auf einem Geestrücken am Jadebusen gelegene Nordseebad Dangast, wo er 1922 ein Haus kauft, heiratet und sich dauerhaft niederlässt. 1925 bereist er unter anderem Dresden, Den Haag und Amsterdam, wo er die romantische Kunst Caspar David Friedrichs und die altniederländischen Meister studiert. Damit vollzieht sich bei Radziwill ein Stilwandel, der später in einem magischen Realismus zur Reife kommt.

Stillleben nehmen im Werk Franz Radziwills im Laufe seines langen Künstlerlebens durchgängig einen großen Raum ein. Das Stillleben, dessen Bezeichnung vom niederländischen Wort „still leven“ abgeleitet wird, und ein Bild ohne Leben, ohne Bewegung, meint, hatte seine Hochzeit als Kunstgattung im 17. und 18. Jahrhundert in den Niederlanden. Häufiges Motiv waren in den Prunkstillleben üppig überquellende Luxusgüter der wohlhabenden bürgerlichen Gesellschaft wie exotische Früchte, Blumen, funkelnde Kristallgläser und feines Porzellan aus China. Franz Radziwill entdeckt die altmeisterliche Malweise für sich, kehrt aber hier und in anderen Werken die stille Schönheit einfacher Gegenstände in ganz besonderer Weise hervor.

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