Kunstwerk des Monats: Max Ernst, "Ein Mond ist guter Dinge", 1970

Elke Haan stellt das Kunstwerk des Monats vor: Max Ernst, Ein Mond ist guter Dinge. 1970, Farbserigraphie auf Papier, 55x46 cm, Auflage 150 (c) VG Bild-Kunst, Bonn 2022

Eine kosmische, nächtliche Landschaft, fast völlig in leuchtendes, monochromes Blau getaucht, zeigt uns der nach einem Gemälde gleichen Namens entstandene Siebdruck aus den späten Jahren des Künstlers Max Ernst: Über einem schmalen Streifen von grün-brauner Vegetation erhebt sich eine dunkelblaue, an eine Gebirgskette erinnernde Zone. Durch eine Linie klar abgegrenzt darüber eine weitere, hellere Gebirgszone, dann ein hellblauer Nachthimmel mit einem die Szenerie beherrschenden grellweißen Vollmond, umgeben von einem radartigen Hof. Das Blau, noch dazu in seiner Intensität nach oben hin transparenter werdend, gibt der Fläche Tiefe und den Eindruck von Transparenz: Etwas Mystisches, Traumhaftes, fast Halluzinatorisches liegt über der Szenerie.

Ernst gibt seinem Werk einen erzählenden, poetischen Titel: „Ein Mond ist guter Dinge“. Der Mond gibt seine singuläre Stellung auf, es kann also auch ein anderer Mond sein als unser Erdtrabant, und er bekommt eine emotionale Zuschreibung: er ist heiter, zufrieden, guter Dinge. Das Dargestellte ist eine Vision, ein Traumbild des Künstlers, angesiedelt zwischen Realität und Traum.

Max Ernst, der 1919 zum Mitbegründer des Kölner Dadaismus gehörte, war 1922 nach Paris übergesiedelt, und schloss sich dort der surrealistischen Bewegung um André Breton an, der 1924 mit seinem „Ersten surrealistischen Manifest“ als wichtigster Vertreter der surrealistischen Bewegung gilt. Die Entdeckung des Unbewussten durch die Psychoanalyse Sigmund Freuds und deren Traumdeutung werden die wichtigsten theoretischen Grundlagen der Surrealisten und der Kunst von Max Ernst.

Für seine traumartige Bildsprache erfindet oder wiederentdeckt Max Ernst zahlreiche Techniken, mit denen er eigene direkte, herkömmliche Malerei auf den Malgrund vermeidet: Die Collage ist eine seiner wichtigsten Instrumente: Unzusammenhängendes, zufällig Gefundenes wird zusammengefügt. Ernsts Interesse für Strukturen zeigt sich in der Technik der Frottage. Hier wird die Oberflächenstruktur eines Gegenstandes, mit Bleistift auf ein aufgelegtes Papier durchgerieben, bei der Grattage wird aufgetragene Ölfarbe teilweise wieder abgekratzt und die darunter liegenden Farbschichten sichtbar gemacht. Die Dècalcomanie, wiederbelebt von Max Ernst, erzeugt Zufallsstrukturen, indem die Farbe von einer Glasplatte auf den Malgrund gepresst wird. Während diese Techniken Unikate erzeugen, ist es mit der Farbserigraphie dagegen möglich, mehrere, nahezu identische Blätter zu produzieren. Es ist eine Form des Siebdrucks: Farbe wird mit Hilfe eines Gummirakel durch ein siebartiges Gewebe auf die Druckunterlage gedruckt. Die Öffnungen des Siebes können mit Hilfe von Schablonen farbundurchlässig gemacht und damit entschieden werden, welche Flächen auf der Druckunterlage mit Farbe bedruckt werden.

Bei genauem Hinsehen sind die blauen Farbflächen der Bergformationen und des Himmels federartig oder mit pflanzlichen Formen strukturiert, als seien sie eingedrückt worden. Hat der Künstler die Oberfläche bearbeitet nach dem Druck?  Auch hier fügt er Unzusammenhängendes zusammen.

In vielen Werken von Max Ernst taucht der Vollmond in mehrdeutiger, ambivalenter Stimmung auf: mal heiter, mal melancholisch, magisch. Er steht für den Wandel, die Sehnsucht und die Endlosigkeit und Rätselhaftigkeit des Himmels. Ernst knüpft damit an die kosmischen, vom Mond beseelten Landschaften der Romantiker, insbesondere an Caspar David Friedrich oder auch Carl Gustav Carus an.

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