Elke Haan stellt das Werk "Dampfer auf See", o.J., Aquarell auf Japanpapier, 33 x 45,3 cm, als Kunstwerk des Monats vor. Es ist eines der zahlreichen Werke von Emil Nolde (1867 Nolde -1956 Seebüll) im Sammlungsbestand der Kunsthalle Emden:

Emil Nolde wird 1867 in dem kleinen abgelegenen Dorf Nolde im deutsch-dänischen Grenzgebiets Nordschleswigs als Emil Hansen geboren und nimmt 1902 den Namen seines Geburtsortes, in dem seine Familie seit vielen Generationen einen Bauernhof bewohnen, an. Zeit seines langen Künstlerlebens, das ihn über St. Gallen in der Schweiz, Dachau bei München, Paris, Berlin, über China und Japan bis in die Südsee führen sollte, war seine Malerei geprägt von der großartigen Marschlandschaft Nordfrieslands mit ihrer weiten Landschaft, dem hohen Himmel, den abgelegenen Friesenhöfen und dem allgegenwärtigen Meer. Die Form- und Farbspiele des Meeres und des Himmels, ob wildbewegtes Meer und dramatischen Wolkentürme oder stilles Abendlicht über ruhiger See, interessierten Nolde: „Ich finde das schön, weil im Himmel sind ganz viele bunte Farben: Gelb, Orange, dunkleres Rot, Pink, Rosa, Hellblau und Dunkelblau. Und dass sich das so in den Wellen ganz oft widerspiegelt. Und dass in dem Schaum auch noch Orange ist vom Himmel. Und dass auch im Meer noch so schwarz ist.“

Auch in seinem Aquarell „Dampfer auf See“ bestimmt die leuchtende Farbe das vor allem sinnliche Bilderleben: In intensivem Ultramarinblau türmen sich hohe, vom Wind getriebene Wellenberge von der linken unteren Bildecke bis an die Horizontline ganz am rechten Bildrand. Wellentäler und -kronen formen sich aus hellerem Blau, worüber ein transparentes Hellgrün bzw. Hellgelb gesetzt ist. Am Horizont trifft der Sog der Wellen auf einen Dampfer, der dem Bild seinen Namen gibt und eine hohe schwarzen Rauchwolke vor dem dramatischen Lichtspiel des Sonnenuntergangs in den Himmel steigen lässt. Hier trifft das Licht der untergehenden Sonne in glühendem Gelb und Orange auf das tiefblaue Meer, darüber in hellem Blau, violett, und zartem Gelb ziehen Wolken hoch in den Himmel. Tiefenraum und Dynamik ergibt sich durch die starke Diagonale, die vom vorderen linken Bildrand hoch zum rechten Horizont und von dort mit dem aufsteigenden Rauch in einer gegenläufigen Bewegung nach links oben verläuft. Der starke Farbkontrast von Orange und Blau ist dort am stärksten, wo Meer, Dampfer und Abendlicht zusammentreffen und sich die Urelemente begegnen.

Das Motiv erinnert an die zahlreichen Bilder des englischen Landschaftsmalers William Turner (1775-1851), der in Bildern wie „Schneesturm mit Dampfschiff auf dem Meer“ (1842) den Kampf und das Zerfließen der Elemente darstellte, für den aber nicht - wie für den Expressionisten Nolde - die Farbe mit ihrer Sinnlichkeit und Ausdruckskraft maßgeblich war, sondern allein das Atmosphärische, die Reflexionen des Lichts. Beiden gemeinsam ist aber das titelgebende Motiv des Dampfers auf dem Meer: dieser verbindet nicht nur als gestalterisches Mittel Himmel und Erde, sondern symbolisiert auch die Anwesenheit des Menschen, seiner technischen Errungenschaften in der elementaren Natur, die er bezwingen will und aus heutiger Sicht grenzenlos ausnutzen und verschmutzen wird.

Emil Nolde Aquarelle gehören zu seinen größten künstlerischen Leistungen: In bis dahin nie gekannter Farbigkeit und Meisterschaft erschafft er in den Jahren nach seiner Rückkehr nach Nordschleswig, wo er ab 1926 auf einer von ihm benannten Warf Seebüll ein Wohn-und Atelierhaus errichtet, Hunderte. Dabei benutzt er als Malgrund dünnes, leicht aufsaugendes Japanpapier, das die Farben besonders intensiv und zugleich transparent erscheinen lässt. Entscheidend sind die unzähligen kleinen Aquarelle schließlich für Noldes Selbststilisierung als Opfer der Nationalsozialisten, verbindet der Künstler sie doch mit dem Ausdruck der „ungemalten Bilder“ und stellt sie als Form seines Widerstands gegen das Regime und dessen Malverbot dar. Dabei hat es letzteres nie gegeben. Nolde wurde ein Berufsverbot auferlegt, er durfte nicht verkaufen, ausstellen und publizieren. Malen durfte er aber sehr wohl.

Emil Nolde gehörte zeitweise der Künstlergemeinschaft „Die Brücke“ an: Karl Schmidt-Rottluff hatte ihn 1906 mit einer persönlichen Anfrage als Mitglied gewonnen. Nach einem gemeinsamen Malaufenthalt in Alsen im Sommer 1906, verließ Nolde die Gruppe jedoch bereits im Herbst 1907 wieder, um eigene Wege zu gehen. Er gehört zu den bedeutendsten Malern des Expressionismus. Die Sammlung Henri Nannen enthält 36 Arbeiten Noldes, darunter allein 14 Aquarelle. Noldes Bedeutung als Künstler ist unumstritten, während seine Nähe zur NS-Partei, der er 1935 beigetreten war, viele kritische Fragen aufwirft.

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