Kunstwerk des Monats ist "Scaramouche" von Arnulf Rainer aus dem Jahr 1970, ein mit Öl übermaltes Foto mit den Maßen 95 x74 cm. Kollegin Elke Haan betrachtet das Werk:
1968 beginnt der junge Künstler Arnulf Rainer (geb. 1929 in Baden bei Wien), in einem Fotoautomaten am Wiener Westbahnhof Grimassenfotos seines eigenen Gesichts aufzunehmen und diese dann zu übermalen. Er nennt die etwa 40 Fotoreihen, die in den kommenden Jahren auf diese Weise entstehen „Face Farces“. Eine Farce, ein Begriff aus der Theaterwelt, meint Zerrbild, Spottbild, eine Posse. Rainers Ziel ist es, den Ausdruck seiner auf das Foto gebannten Gemütsbewegung noch zu steigern und zu erweitern:

Immer ungeduldiger und nervöser beim Retuschieren, fing ich an zu überarbeiten und versuchte so, Intensität, Erregung Nerven- und Muskelanspannung des Gesichts nicht nur zu verdeutlichen, sondern auch zu erweitern.

Arnulf Rainer in: Körpersprache. Verlag van de Loo und Prelinger, München1980

In seinem Werk „Scaramouche“ blickt Rainer wie auf einem Passfoto den Betrachter mit aufgerissenen, fast erschreckt-erregten Augen an. Unter der Übermalung sind seine schwarz- gelockten Haaren, und ein Teil seiner mit Teddyfutter gefütterten Jacke noch zu sehen. Von der Nasenwurzel strahlenartig aus über Stirn, Wangen und Kinn übermalt er in Weiß mit gelben, roten und grünen Farbstreifen. Darüber noch gitterartig fast wie in Form einer Spinne legt er schwarze, starke Striche bis zu den Rändern hin. Fast verstörend wirkt das Bild, in dem der Künstler mit sich selbst in einen kreativen Akt. Er verfremdet sein Antlitz, das dennoch in Spuren sichtbar ist. Wie ein Schauspieler in einer Rolle agiert er mit seiner Mimik und bezieht sich mit dem Titel „Scaramouche“ auf eine komische Figur des italienischen Volkstheaters Commedia dell`arte.

Als Übermaler ging Arnulf Rainer in die Kunstgeschichte ein. In seinem gesamten Werk bedient sich der Künstler, der zu den bedeutendsten zeitgenössischen Künstlern Österreichs gehört, dieser Ausdrucksform. Zunächst aus Materialmangel übermalte er nicht eigene, sondern auch Gemälde anderer Künstler, die ihm zur Verfügung gestellt wurden. Berühmt sind seine Kreuz- und Bibelübermalungen.

Berüchtigt ist seine unerlaubte Übermalung 1961 einer Radierung während einer Ausstellungseröffnung in Wolfsburg, wo er das soeben preisgekrönte Werk der Grafikerin Helga Pape mit schwarzer Farbe übermalte und an das Bild eine Karte heftete mit der bedruckten Aufschrift: „bemalt von Arnulf Rainer“.  Rainer wurde daraufhin von der Polizei verhaftet und vor Gericht gestellt.

Als Autodidakt, der ein Kunststudium an der Hochschule für angewandte Kunst und an der Akademie der bildenden Künste, beide in Wien, nach einem bzw. drei Tagen abbrach, setzte er sich früh mit der zeitgenössischen informellen Kunst auseinander. 1970 stellt er seine „Face Farces“ erstmals in einer Einzelausstellung in der Galerie Otto van de Loo in München aus. 1978 erhält er den Großen Österreichischen Staatspreis. Von 1981 bis 1995 ist er Professor an der Akademie der Bildenden Künste in Wien. Ein Einbruch in sein Atelier und die Übermalung eines seiner Werke durch den unbekannten Eindringling veranlassen ihn, seine Professur aufzugeben.

Insgesamt 12 Werke von Rainer kommen mit der Schenkung Otto van de Loos 1997 in den Sammlungsbestand der Kunsthalle Emden.

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