Kunstwerk des Monats: Hans Platschek, "Persephone", 1962

Nicht nur wegen des provozierenden Titels gehörte das Buch "Über die Dummheit in der Malerei" zu einem der bekanntesten Werke von Hans Platschek. Der Maler war eine klassische Doppelbegabung, als Künstler wie auch als Kunsttheoretiker. Elke Haan stellt uns heute seint Werk „Persephone“, ein Ölgemälde von 1962, das sich seit 1999 im Bestand der Kunsthalle befindet, als Kunstwerk des Monats vor:

„Persephone“, so ist der Titel des Gemäldes von Hans Platschek (1923 Berlin –2000 Hamburg) und verweist damit auf die antike Toten- und Fruchtbarkeitsgöttin: Als Tochter von Zeus wurde Persephone von Hades, der sich in sie verliebt hatte, in die finstere Unterwelt entführt. Ihre Mutter Demeter jedoch hinderte in ihrem Kummer darüber, die Pflanzen auf der Erde am Wachstum und erreichte, dass Persephone die Hälfte des Jahres bei ihr auf der Erde bleiben durfte und nur die andere Hälfte in der Unterwelt verbringen musste. So erklärt die griechische Mythologie den Wechsel der Jahreszeiten Winter und Sommer, die Ambivalenz von Tod und Wachstum, von Dunkelheit und Licht.

Sucht indes der Betrachter des Gemäldes nach einer figurativen Darstellung dieser mythologischen Gestalt, sieht er sich einer mehr oder weniger abstrakten Farb- und Formstruktur gegenüber. In einem Farbspektrum aus Schwarz und Weiß und einigen, wenigen gelblich und violett schimmernden Farbpartien zeigt sich ein Geflecht von spitzkantigen, gezackten Formen und Linien, und von wenig Rundungen. Besonders in der Bildmitte erinnern diese an eine Hand, einen Mund, etwas Menschliches, ebenso die beiden sehr kleinen roten Farbpunkte, die Augen oder Lippen assoziieren. Parallel gesetzte Striche in kastigen Formen erinnern an Skelette. Es scheint, als stiege eine Gestalt aus der rechten unteren, dunklen Tiefe des Malgrundes empor, während links oben eine kleinere Figur, die etwas in der Hand hält, womöglich eine Mohnblume, dem Attribut der Persephone, zu schweben scheint.

So entsteht der Reiz dieses Gemäldes aus der bildlichen und assoziativen Vorstellung einer Figur, die aus dem Totenreich hinauffährt, um mit einer Blume in der Hand über dem Geschehen zu schweben. Wie Persephone zwischen Unterwelt und Erde wechselt, so wird der Betrachter in eine Zwischenzone geführt aus abstrakter Malerei und zeichenhafter Gegenständlichkeit. In seinem 1959 erschienen Buch „Neue Figurationen. Aus der Werkstatt der heutigen Malerei“ schreibt Platschek dazu: „Ganz gleich, wie man einzelne Bilder beschreibend erfassen will, man gerät immer wieder auf Gebilde, die – Titel hin, Titel her – keine Fakten mehr darstellen, wie sie noch die gegenständliche oder die abstrakte Malerei geschaffen haben.“

Das Gemälde entstand in Platscheks bedeutendster Schaffensphase von 1959–1963. Nach künstlerischen Anfängen im Exil in Uruguay und der Rückkehr nach Europa 1955, nahm er wie auch K.O. Götz und Hann Trier 1959 an der documenta II teil. Er gehörte zudem zu den ersten informellen Künstlern in Deutschland, die zu Beginn an und regelmäßig in der 1957 gegründeten Münchener Galerie van de Loo ausstellten. Als Maler vollzieht er Ende der 60er Jahre einen radikalen Bruch mit dem für ihn zur Mode gewordenen Informel und wendet sich einer realistischen, figurativen Malerei zu. Anlässlich der Retrospektive seiner Werke 1999 in der Kunsthalle Emden machte der Künstler es der Stiftung Henri und Eske Nannen zum Geschenk.

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