Good Night Moon von Austin Eddy

Ein leuchtend gelber Tisch, eine blaue Vase, drei rosarote und blaue Blumen, im Hintergrund ein Fenster mit Seeblick. Nur noch angedeutet lässt sich am rechten Rand ein dunkelbrauner Stuhl erkennen. Der Rest des Bildes zerfällt in geometrische Flächen.

Auf den ersten Blick mag das zeitgenössische Bild des US-amerikanischen Künstlers Austin Eddy (*1986) mit seinem auffälligen Format und seiner plakativen Malweise inder illustren Reihe der deutschen Expressionisten des frühen 20. Jahrhunderts verblüffen. Doch bei genauerer Betrachtung lassen sich zahlreiche Schnittstellen zwischen unseren Sammlungshöhepunkten aus der klassischen Moderne und Austin Eddys Arbeit ausmachen.

Suchten schon die Künstlergruppen Die Brücke und Der Blaue Reiter nach neuen Ausdrucksformen und sahen Farbe nicht nur als Mittel der Naturwiedergabe, so sind auch Eddys Arbeiten von der Lust am Experiment mit Farbigkeit und Formen bestimmt. Wie die Brücke-Künstler verwendet Eddy stark vereinfachte, fast roh wirkende Formen und eine expressive Linienführung. Während gerade seine grafischen Arbeiten mit ihren kantigen Konturen an die Ästhetik von Holzschnitten erinnern, vermengen sich in seinen Gemälden abstrakte Formen, rhythmische Kompositionen und symbolhafte Farbflächen. Diese Themen verbinden Eddy mit der Kunst des Blauen Reiters. Während etwa die kräftigen, ausdrucksstarken Farben hervorragend mit August Mackes Südlicher Garten harmonieren, weisen das Motiv und die geometrische Vereinfachung der Flächen enge Parallelen zu Gabriele Münters Stilleben mit Vase Nr. 2 auf.

Hier schneiden Flächen in Good Night Moon ineinander, dort überlagern sich Bildelemente. Der Verzicht auf eine einheitliche Perspektive in Eddys Werk offenbart die gleichen künstlerischen Impulse einer Strömung, die auch die Künstlerinnen und Künstler von Brücke und Blauem Reiter inspirierten: den Kubismus. Eddys bunte Farbpalette sowie starke Hell-Dunkel-Kontraste zeugen zudem von der Auseinandersetzung mit den formalen Aspekten von Farbe – wie es bereits um die Jahrhundertwende bei den Vertreterinnen und Vertretern des Fauvismus der Fall war.

Doch nicht allein Eddys Malweise weist Parallelen zur expressiven Kunst des frühen 20. Jahrhunderts auf. Auch die Motive selbst stehen der Kunst von Brücke und Blauer Reiter nahe. Wie bei Franz Marcs DieBlauen Fohlen werden Vögel und Fische, aber auch Birnen und Blumen bei Eddy zum Träger emotionaler und ideeller Bedeutungen – weniger naturgetreu, vielmehr Ausdruck innerer Zustände. Wie beim Blauen Reiter besitzen Eddys abstrahierte ähnlich viel Symbolkraft: Sie verweisen für den in New York lebenden und arbeitenden Künstler nicht auf eine äußere Realität, sondern auf eine innere Welt. Die auf das Wesentliche reduzierten Bilder erinnern damit auch an die Sehnsucht nach Ursprünglichkeit, die viele Werke der Brücke-Künstler bestimmte.

Farbe, Muster und Material als Einheit sehen: Mit der Vereinfachung der Form, der künstlerischen Reduzierung auf das Wesentliche und dem Oszillieren zwischen Figuration und Abstraktion setzten Die Brücke und Der Blaue Reiter wichtige Impulse für die moderne Kunst. Austin Eddy übersetzt diese Ideen in eine heutige Bildsprache, bei der Subjektivität, Vereinfachung und symbolhafte Abstraktion erneut zu zentralen Ausdrucksmitteln werden.

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