Kunstwerk des Monats: Hanns Ludwig Katz, "Zwei Schwestern"

Der Maler Hanns Ludwig Katz, der dieses Gemälde Zwei Schwestern (Twin Sisters), um 1930/1933, Öl und Mischtechnik auf Sperrholz, 119x87 cm, schuf, wäre fast - wie unzählige Künstlerinnen und Künstler der verschollenen Generation - dem Vergessen anheim gefallen. Dass die Kunsthalle heute das deutsche Museum mit dem größten Bestand seiner Werke ist, verdankt sich einem Zufall. Elke Haan stellt Werk und Künstler näher vor:

Ein eher ungewöhnliches Doppelporträt zweier Schwestern zeigt uns der Maler Hanns Ludwig Katz (1892 Karlsruhe - 1940 Johannesburg) mit den „Zwei Schwestern“ (um 1930/33). Die beiden Frauen sitzen leicht versetzt nebeneinander auf einem roten Sofa und schauen den Betrachter offen und mit einem leichten Lächeln an. Ihre Gesichtszüge, ihre Frisur, die lässige Körperhaltung mit übereinander gelegten Unterarmen und über die Knie geschlagenen Beinen sind fast identisch, als wären sie Zwillinge. Im typischen Modestil der zwanziger und dreißiger Jahre tragen die Schwestern knielange, hochgeschlossene Kleider mit farblich passenden Spangenschuhen. Das Interieur aus Sofa, Tischen und Blumenvase sind modern und einladend. Die beiden Jüdinnen, die der Maler darstellte, lebten offensichtlich in der Zeit der Bildentstehung, kurz vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten, noch in einem wohlhabenden und gesellschaftlich anerkanntem Umfeld.

Die Frage, wer dargestellt ist, ist nicht mehr zu ermitteln. Es dürfte dem Maler auch weniger um eine unverkennbare Wiedergabe der Porträtierten, sondern vielmehr um eine ausgeklügelte Farb- und Formkomposition als Grundlage seiner Kunst gehen: „Kunst ist eine der Wurzeln menschlicher Orientierung und Erkenntnismöglichkeit. Um die Darstellung ihrer spezifischen Aussagen zu ermöglichen, bedarf sie bestimmter symbolischer `Zeichen´. (…) Die `Zeichen´ der Malerei sind: Farbe, Fläche, Linie,“ so der Künstler (1)

Perspektivische Verzerrungen des Innenraums und des Mobiliars, die spannungsreiche Komposition von runden und eckigen Gegenständen: die Raumecke gegen das runde Sofa, der nach vorne gekippte, eckige Tisch gegen den runden Tisch daneben.Fein aufeinander abgestimmte warme Rot-, Grün- und Gelbtöne erzeugen eine warme und freundliche Atmosphäre. Auffallend die zur Hälfte mit Wasser gefüllte Kugelvase aus spiegelndem Glas, mit zwei Chrysanthemen. Ein Motiv, das häufig fast schon symbolhaft für Erinnerung und Unsterblichkeit in den Bildern von Katz auftaucht.  

Hanns Ludwig Katz, Jude und Sozialist, emigrierte 1936 nach Südafrika, viele seiner Bilder gingen bei der Einschiffung verloren. Er starb bereits 1940. Er gehört zu der sogenannten „Verlorenen Generation“, Künstlern und Künstlerinnen, die um die Jahrhundertwende geboren auf dem Höhepunkt ihres Schaffens durch die Machtergreifung Hitlers 1933 einen massiven Einschnitt in ihr Künstlerleben erfuhren, als „entartet“ ausgestellt und verfemt wurden.

Henri Nannen, der Stifter der Kunsthalle in Emden, wurde durch einen privaten Hinweis auf eine Gruppenausstellung in Johannesburg / Südfafrika auf den nahezu vergessenen Maler aufmerksam und kaufte 1984 vier Bilder für die 1986 eröffnete Kunsthalle. Weitere Ankäufe und Schenkungen folgten. Mit elf Arbeiten, davon drei doppelseitig bemalt, beherbergt die Kunsthalle in Emden heute die größte institutionelle Sammlung von Hanns Ludwig Katz in Deutschland.

1. Zitiert in: Hanns Ludwig Katz : 1892 - 1940 ; Jüdisches Museum Frankfurt am Main, 18. März - 8. Juni 1992 ; Kunsthalle Emden, Stiftung Henri Nannen, 21. Juni - 23. August 1992, S. 61

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