Der Bremer Künstlerstreit

1911 kaufte Gustav Pauli als Direktor für die Sammlung der Kunsthalle Bremen das Gemälde Mohnfeld (1889) von Vincent van Gogh. Dadurch eskalierte ein Streit, der bereits seit einigen Jahren geschwelt hatte. Schon bei seiner Berufung an die Bremer Kunsthalle 1899 hegte Pauli großes Interesse an den neuen Tendenzen in der Malerei, was sich von Beginn an in seinem Ausstellungsprogramm niederschlug. So stellte er bereits in seinem ersten Jahr in Bremen erstmals Werke der damals noch unbekannten Künstlerin Paula Modersohn-Becker (damals noch Paula Becker) aus. Die Kritik folgte prompt vom lokalen »Malerfürsten« und Kunstkritiker Arthur Fitger, der in der Weser-Zeitung aufs Schärfte verurteilte, dass die seiner Meinung nach »so unqualifizierbaren Leistungen« einer »primitiven Anfängerin«, für die er »keineswegs diejenigen Ausdrücke […], die unserer Entrüstung entsprechen würden« gebrauchen möchte, ihren Weg in die Bremer Kunsthalle gefunden hatten. Carl Vinnen nahm die Künstlerin zwar öffentlich in Schutz, jedoch eher um sich gegen seinen Malerkollegen zu profilieren als die Künstlerin zu verteidigen, denn auch er bezeichnete sie als eine der »Worpsweder Schülerinnen, deren ganzes Verbrechen darin bestanden hatte, minderwertige und unreife Schülerarbeiten auszustellen«.

Der Ankauf des Mohnfelds gipfelte schließlich in der Veröffentlichung der Schrift Ein Protest deutscher Künstler in der Carl Vinnen den »Kampf gegen eine in Deutschland so übermächtig gewordene Interessengruppe und deren Bundesgenossen, die Ästheten und die Snobs« fordert.  Künstlerinnen und Künstler aus ganz Deutschland stimmten Vinnen zu und unterschrieben die Protestschrift. Darauf antwortete Gustav Pauli mit der Schrift Im Kampf um die Kunst. Die Antwort auf den »Protest deutscher Künstler«, in dem sich ebenfalls zahlreiche Personen aus dem Kunsthandel, der bildenden Kunst sowie Sammlerinnen und Sammler positionierten.

Der Streit wurde 1912 fortgeführt, nachdem Gustav Pauli in der Kunsthalle Bremen Werke van Goghs ausstellte und die Ausstellung des Deutschen Künstlerbundes – darunter Künstlerinnen und Künstler der Neuen Künstlervereinigung München und der Neuen Berliner Secession – stattfinden ließ. Nach einem öffentlichen Angriff durch den Mannheimer Rechtsanwalt Theodor Alt, hielt Pauli den Vortrag Die Aufgaben des modernen Kunstmuseums, in dem Pauli nicht nur auf die Kritik reagiert, sondern auch die Notwendigkeit der Modernisierung musealer Institutionen mit konkreten Beispielen beschreibt. Der Bremer Künstlerstreit ist somit eine wichtige Station auf dem Weg zum Museum der Gegenwart und ein wichtiges Bekenntnis zur modernen Kunst aus den Reihen der Museumsdirektoren.

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