Die Musealisierung des Expressionismus
Galt der Expressionismus anfangs noch als Revolte junger Kunstschaffender, die in avantgardistischen Galerien wie Der Sturm von Herwarth Walden oder dem Kunstsalon von Paul Cassirer in Berlin ausstellten, gab es von Seiten einiger fortschrittsgläubiger Museumsdirektoren schon bald Bemühungen, die aktuelle Kunst auch in Museen zu zeigen.
Zu Beginn waren es die französischen (Post-)Impressionisten und Fauves, die durch gezielte Ankäufe Einzug in deutsche Museumssammlungen hielten. In der Kunsthalle Bremen erweiterte Gustav Pauli zunächst die Sammlung um deutsche und französische Impressionisten sowie Werke der damals noch unbekannten Paula Modersohn-Becker. Er wechselte 1914 an die Hamburger Kunsthalle, wo er schließlich den Bestand um expressionistische Werke erweiterte. In Mannheim schuf der Gründungsdirektor der Kunsthalle Fritz Wichert eine der ersten öffentlichen Sammlungen moderner Kunst weltweit und sein Nachfolger Gustav Friedrich Hartlaub erweiterte die Sammlung um expressionistische, neusachliche und internationale Positionen. Der Direktor der Nationalgalerie Berlin Hugo von Tschudi begann durch Ankäufe französischer, impressionistischer Werke mit der Modernisierung des Museums. Sein Nachfolger Ludwig Justi errichtete nach dem Ersten Weltkrieg die Neue Abteilung im Kronprinzenpalais, die als erste museale Sammlung gilt, die den Schwerpunkt auf den Expressionismus legt. Im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe baute Max Sauerlandt ab 1919 die Expressionisten-Sammlung aus. Mit ihrem Einsatz für moderne Kunst sahen sich die Museumsdirektoren von vielen Seiten großer Kritik ausgesetzt und nicht selten wurde ein Disput öffentlich ausgetragen. So zum Beispiel der Bremer Künstlerstreit, der durch die Erwerbung des Gemäldes Mohnfeld (1889) von Vincent van Gogh für die Sammlung der Kunsthalle Bremen durch Gustav Pauli entbrannte.
Der Bremer Künstlerstreit ist nur eine der zahlreichen Debatten, die innerhalb des um die Jahrhundertwende beginnenden Diskurses über die Aufgaben, das Selbstverständnis und die Neuausrichtung musealer Institutionen entbrannte. Dis Musealisierung des Expressionismus ist eng verknüpft mit dieser Zeit des Umbruchs. Das Forum dieser Debatte war die 1930 von Ludwig Justi gegründete Zeitschrift Museum der Gegenwart, an der sich Direktoren bedeutender Museen, die sich der Kunst des Expressionismus und nachexpressionistischer Strömungen annahmen, beteiligten.
Nach nur 13 Quartalsausgaben wurde die Zeitschrift aufgrund der politischen Ereignisse 1933 eingestellt. Zahlreiche Museumsdirektoren wurden nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten aus ihren Ämtern entlassen und durch regimetreue Personen ersetzt, sodass der Fortschritt im Museumswesen ein jähes Ende nahm.