Die Künstler der KG Brücke wollten «unmittelbar und unverfälscht» malen, was sie bewegte. Farben sollten nicht mehr nur dem natürlichen Aussehen von Gegenständen entsprechen, sondern Emotionen und Stimmungen ausdrücken. Dafür bedienten sie sich impulsiver, schneller Pinselstriche und nutzten besonders intensiv strahlende Farben, die sie großflächig auftrugen. Die reinen, oft ungemischten Farben stehen nebeneinander; Nuancierungen und Schattierungen treten in den Hintergrund.
Ernst Ludwig Kirchner (1880-1938) schrieb dazu in seinen Davoser Tagebüchern:
«Es gibt weder Licht noch Schatten. Einzig die Farben im Zusammenhang geben das Erlebnis. Alles ist Fläche. Der geistige Wert der Farbe spricht. Farbe und Form greifen organisch ineinander. Einfachheit, Ordnung und Klarheit erzeugen eine neue Schönheit.»
Die Reduzierung der Farben und der zunehmend flächige Auftrag waren auch inspiriert von den Erfahrungen der Künstler im Bereich der Druckgrafik. So fand etwa Otto Mueller (1874-1930) ab 1908 den Übergang von der pastosen Malerei zum flächigen Farbauftrag durch seine Experimente mit dem Medium des Holzschnitts.
Auch die Künstler*innen des Blauen Reiters entwickelten ab 1908 eine abstrahierte Formensprache mit besonderem Schwerpunkt auf der Farbigkeit. Franz Marc (1880-1916) beschäftigte sich intensiv mit Goethes Farblehre, die Grundfarben als Ausdruck von Geist und Seele verstand. Darauf aufbauend, entwickelte er eine eigene Farbtheorie: 1910 schrieb er an seinen Freund August Macke (1887-1914): «Gelb ist das weibliche Prinzip, sanft, heiter und sinnlich. […] Blau ist das männliche Prinzip, herb und geistig.» Über Farben wollte Marc das innere Wesen der Motive erfassen. Es entstanden einfühlsame Werke wie die «Blauen Fohlen» von 1913.
Unter dem verbindenden Glauben an eine «geistige» Dimension der Kunst sollte Farbe verschiedenen formalen Ausdrucksmöglichkeiten Raum bieten. Wassily Kandinsky (1866-1944), empfand Farben als Synästhetiker etwa nicht nur als optische, sondern auch als akustische Reize. In seinen theoretischen Schriften sprach er vom «inneren Klang» eines Gemäldes und von Farbharmonien.
Der Blaue Reiter hatte einen eher theoretischen Zugang zur Farbe, während für die Brücke das unmittelbare Experimentieren im Vordergrund stand. Beide Gruppen jedoch sahen Farbe als eigenständiges Ausdrucksmittel jenseits der reinen Naturabbildung.