Emil Nolde und der Nationalsozialismus

Emil Nolde zählt zu den bekanntesten Künstlern der klassischen Moderne und ist gleichzeitig eine ambivalente Figur. Obwohl als entartet diffamiert und mit Berufsverbot belegt, war Nolde Antisemit, bekannte sich öffentlich zum Nationalsozialismus und war von Beginn an NSDAP-Mitglied. Das Gemälde Bauernhof aus dem Jahr 1924 stellt ein für den schleswig-holsteinischen Künstler typisches Motiv einer norddeutschen Landschaft dar. Zum Zeitpunkt der Entstehung war Nolde ein anerkannter expressionistischer Künstler mit Werken in öffentlichen Sammlungen, wie dem Städtischen Museum in Halle (Saale). Hier hatte Museumsdirektor Max Sauerlandt 1913 unter heftigen Protesten zwei Gemälde erworben.

Mitte der zwanziger Jahre war Nolde ein gefeierter Künstler und sollte es einige Zeit bleiben. 1931, mit 64 Jahren, wurde er in die Preußische Akademie der Künste aufgenommen. Im selben Jahr brachte Paul Schultze-Naumburg erstmals Noldes Kunst mit dem Begriff der »Entartung« in Verbindung. Schultze-Naumburg war seit 1930 NSDAP-Mitglied und zeichnete schon früh für die Entfernung moderner Kunstwerke aus öffentlichen Sammlungen verantwortlich sowie für die Zerstörung der Wandgemälde und -reliefs von Oskar Schlemmer im ehemaligen Werkstattgebäude des Staatlichen Bauhauses Weimar. Für Nolde wurde die Diffamierung seiner Kunst zum Anlass, im Verlauf des Dritten Reichs seine Identifikation mit der NS-Ideologie unter Beweis zu stellen. Er begriff sich und seine Kunst durch und durch als »deutsch« und erachtete die zunehmende Kritik an seiner Kunst von offizieller Seite als Missverständnis. 1934 trat er in die Nationalsozialistischen Arbeitsgemeinschaft Nordschleswig ein (ab 1935 Gleichschaltung mit der NSDAP) und blieb bis Kriegsende überzeugtes Mitglied der Partei. Fast parallel erschien der zweite Band seiner Autobiografie, Jahre der Kämpfe, in der Nolde seine Herkunft als Bauernsohn deutlich mit der Ideologie von Blut und Boden verknüpfte und sich darin ausdrücklich als antisemitisch positionierte.

Für die Bewertung durch die NS-Kulturpolitik halfen Nolde weder diese Form der Selbstverortung noch seine Mitgliedschaft in der NSDAP. Während der sogenannten Kunstsäuberung wurden 1005 seiner Werke aus deutschen Museen konfisziert – so viele wie von keinem anderen Künstler. Insgesamt 39 seiner Arbeiten waren 1937 in der Femeausstellung Entartete Kunst vertreten. Ein 1941 verhängtes Berufsverbot untersagte ihm, öffentlich auszustellen, zu publizieren und zu verkaufen – nicht aber zu malen, was später Teil seiner Nachkriegsmystifizierung war. Denn trotz seiner ungebrochenen Sympathie für die nationalsozialistischen Ideen wurde Nolde durch die Diffamierung nach dem Krieg zum Opfer stilisiert. Die Spuren der nationalsozialistischen Kulturpolitik zeigen sich ebenfalls an der Provenienz des Werkes, das vor 1930 vom jüdischen Sammlerehepaar Elisabeth und Heinrich Bamberger aus Frankfurt a. M. angekauft wurde. Heinrich Bamberger verstarb 1934 und das Gemälde gelangte im Zeitraum von 1938 bis 1941 durch nationalsozialistische Verfolgung wieder in den Kunsthandel. Henri Nannen kaufte diese Arbeit in gutem Glauben 1979 von der Galerie Wilhelm Grosshennig. 1994 machten die Erben der Familie Bamberger das Gemälde als Teil der Sammlung der Kunsthalle Emden ausfindig. Das die Familie Bamberger vertretende Holocaust Claims Processing Office konnte mithilfe des Hessischen Staatsarchivs darlegen, dass das Gemälde im Zuge der »Verwertung« von Kulturgut durch die NS-Kulturpolitik unrechtmäßig beschlagnahmt wurde. So fand man 2002 eine gütliche Einigung mit den Erben und das Werk konnte der Sammlung erhalten bleiben. 

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