Kunst und Leben

»Jeder Mensch ist ein Künstler« lautet der Grundsatz des Künstlers Joseph Beuys (1921–1986). Sein Erweiterter Kunstbegriff beruht auf einem auf das Leben übergreifenden Ansatz. Die Serie Tafel I–III (1980) geht zurück auf tatsächliche Tafeln, die Beuys während seiner Zeit als Gastprofessor an der Hamburger Hochschule für bildende Künste im Wintersemester 1974/75 beschrieb. Sie enthalten einige der Grundgedanken, die deutlich machen, wie eng Kunst und Leben für den Künstler miteinander verwoben sind. So liest man an einer Stelle die Begriffe »Kultur« und »Schule« sowie darunter »Bildung für Jedermann«. An anderer Stelle bezieht er sich auf die Aktion als künstlerische Praxis und die Rezeption durch die Betrachtenden – Worte wie »Energie«, »Potential« oder »Chaos« stehen auf der einen, »Form« auf der anderen Seite. Zwischen diesen Polen siedelt Beuys »Emotion«, »Empfindung« und »Gefühl« an. Seinen idealistischen Kunstbegriff entwickelte Joseph Beuys angesichts seiner eigenen Erlebnisse sowie der Umbrüche seiner Zeit – die Erfahrungen eines Flugzeugabsturzes im Zweiten Weltkrieg, die Auswirkungen des Kalten Krieges auf die Lebensrealität, Privat- und Staatskapitalismus, die Proteste der 68er Bewegung sowie das aufkommende Umweltbewusstsein.

Auch der Künstler Christo (1935–2020) protestiert mit seinen Werken gegen das Besitzbürgertum und den Kapitalismus. Anfang der 1960er Jahre bewegte er sich im engen Umkreis der französischen Künstlergruppe Nouveaux Réalistes (Neue Realisten), die die Wirklichkeit aus einer neuen Perspektive betrachteten und mit neuen Techniken und Materialien alltägliche Gegenstände in die Kunst integrierten. Mit seinen temporären Verhüllungen, die der Land Art zuzuordnen sind, verwandelt Christo Gebäude, den geografischen Raum oder Gegenstände in Kunstwerke, die man nicht besitzen kann. »Dass die Kunstwerke verschwinden ist ein Teil des ästhetischen Konzeptes. Dadurch sind sie tief verwurzelt mit der Freiheit, denn die Freiheit ist Feind des Besitzes und Besitz ist gleichbedeutend mit Dauerhaftigkeit.«, erklärte Christo in den 1990er Jahren im Zuge der Verhüllung des Reichstagsgebäudes.

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