Kunstwerk des Monats ist diesmal "Lüster 6" aus dem Jahr 2005 von Fides Becker. Elke Haan stellt uns das Werk vor:

Fides Becker, geboren 1962 in Worms, vereint in ihren Bildern Malerei und Collage in heiteren, pastelligen Farben und mit verschiedenen sich überlagernden Bedeutungsebenen. Im Mittelpunkt der von 2004 bis 2005 entstandenen Bilderserie steht jeweils ein Lüster, ein Kronleuchter. Dieser gehörte vor allem in der Zeit des Rokoko (ca. 1730-1770) in den Sälen der großen Schlösser absolutistisch regierender Herrscher zur repräsentativen Innendekoration. Der Glanz (frz. lustre: glänzen, schimmern) der Kerzen, deren Licht sich in einem strahlendem Lichterspiel in den Bergkristallen vielfach bricht, entsprach der großen Prachtentfaltung jener Zeit. Als Bildträger verwendet Becker eine ungewöhnliche Kombination von Stoffen und Tapeten, die ebenfalls in der Zeit des Rokoko in der Innendekoration eine wichtige Rolle spielten. Mit Stoffen bespannte Wände und große Wandteppiche sorgten für eine farb- und formreiche Ausstattung der Innenräume und hielten die Wärme in den Räumen.

Im Bild „Lüster 6“ kombiniert Becker Tapeten mit üppigen Blumenmustern und vegetativen Elementen mit einfachen Baumwollstoffen. Ein kleiner Tempel mit Säulen befindet sich ebenfalls auf der Tapete. Immer wieder werden in dieser Serie Architekturelemente wie Teile aus einer ovalen Deckenkassette, zum Beispiel in einem weiteren Bild, "Lüster 17", eingesetzt. Zu diesen höfischen Elementen kommen einfache Baumwollstoffe, ein kleines Stück karierter Stoff oben links und am unteren Bildrand ein Streifen einfaches Rosenmuster. Derselbe karierte Stoff findet im Bild "Lüster 17" Verwendung und wird ergänzt durch grob gewebten in Karos gemusterten Leinen, wie man sie aus Handtüchern kennt. So wird die scheinbar glanzvolle Umgebung ironisch gebrochen durch Elemente kleinbürgerlicher Verhältnisse. Die auf diesen Bildträger gemalten Lüster sind in monochromen Farben aufgetragen, teils verwischt, teils sehr realistisch und fein aufgetragen. Der Glanz, den sie verströmen deutet sich an in verwischtem oder verlaufendem Weiß.

Der Betrachter wird in eine Zauberwelt von höfischem Glanz entführt, realistisch gebrochen mit Stoffen aus hausfraulicher Häuslichkeit. Will die Malerin, auf deren anderen Bildern vielfach prächtig gekleidete Frauen in diese szenischen Bildräume gesetzt sind, auf das sich verändernde Rollenbild der Frau hinweisen? Die Frau zwischen Galanterien und Begierde, welche das Wort lüstern ja in seiner Doppeldeutigkeit assoziiert, und eine auf brave Häuslichkeit reduzierte Rolle?

Fides Becker jedenfalls sagt, dass sie einfach nur „die Kunstgeschichte mit weiblichen Elementen ergänzen“ will (Ostfriesen-Zeitung, 11. Mai 2007). Die Sommerausstellung 2007 in der Kunsthalle Emden ermöglichte es der Künstlerin, die in Frankfurt an der Städelschule, in Rotterdam an der Academie van Beeldende Kunsten und an der Berliner Hochschule der Künste studierte, erstmals an eine breite Öffentlichkeit zu treten. Nach der Ausstellung schenkte sie das Bild „Lüster 6“ zusammen mit anderen Werken der Kunsthalle.

 

 

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