Bernd Zimmer, Aufklärung, 1990/91, 210 x 110 cm (c) VG Bild-Kunst, Bonn 2021

Kunstwerk des Monats: Bernd Zimmer "Aufklärung", 1990/91

Elke Haan stellt Ihnen das Kunstwerk des Monats vor: Bernd Zimmer, Aufklärung, 1990/91, 210 x 110 cm, Acryl auf Nessel (c) VG Bild-Kunst, Bonn 2021. Es war ein Geschenk der Freunde der Kunsthalle anlässlich der Ausstellung Bernd Zimmers in der Emder Kunsthalle 1993.

Für den Maler Bernd Zimmer (*1948 in Planegg bei München) ist das zentrale Thema die Natur: mit seinen nahezu abstrakten, expressiv-farbigen Landschaften nimmt er unter seinen Berliner Malerkollegen Rainer Fetting, Helmut Middendorf und Salomé, mit denen er erstmals 1980 gemeinsam in Berlin in der epochemachenden Ausstellung Heftige Malerei seine Werke zeigte, eine Sonderposition ein. Statt Berliner Großstadtthemen bringt er mit schwungvollem, breitem Pinselstrich Felder, Wasserlandschaften, Himmel und Lichtreflexe auf großformatige Leinwände. Seine Bildgegenstände sind elementar und sinnlich empfunden: Feuer, Wasser, Erde und Luft. Bildraum, Bildgegenstand, Atmosphäre entstehen allein aus den Mitteln der Malerei, aus Farbformen, Farbgegensätzen, Pinselführung und Linien. Horizontlinien, Feldbegrenzungen, wellen- oder wolkenartige Farbformen lassen Landschaften als solche erkennen.

Zur Reihe der Himmelsbilder, dem Element Luft zugeordnet, gehört das Gemälde Aufklärung in der Emder Kunsthalle, einem Geschenk der Freunde der Kunsthalle anlässlich der Ausstellung des Malers 1993. Das steile Hochformat von über zwei Metern Höhe bei gut einem Meter Breite betont die Vertikalität und aufwärtsstrebende Dynamik des Bildinhalts, unterstützt durch den starken Farbkontrast von kräftigem Gelb und Blau. In der unteren Bildhälfte herrscht fast nahezu Gelb vor, das in wolkenförmigen Formen ab der Bildmitte über einem nach oben zunehmenden Blau aufsteigt. Dasselbe Dunkelblau des Himmels kehrt am unteren Bildrand zurück in Form eines angedeuteten Bergkegels, der rechts von aufstrebenden baumartigen Pinselstrichen flankiert ist. Die Horizontlinie ist nur zu erahnen links davon, wo versetzt, kleiner und abstrahierter eine weitere Bergformation erkennbar ist. Der Himmel in seiner Größe ist übermächtig. Das Gelb symbolisiert nicht nur, sondern es ist Energie, Wärme und Licht, demgegenüber ist das Blau tief, kühl und dunkel und generiert hier die Unermesslichkeit des Himmelsraumes.

Zimmer steht mit seinen Himmelsbildern in einer Traditionslinie von der holländischen Landschaftsmalerei des 17. Jahrhunderts, die erstmals Wolken als bildwürdig erachtete, über den auf wissenschaftlicher Beobachtung gründenden Wolkenbildern der deutschen Romantik und über den Deutschen Expressionismus bis zur Farbmalerei: Zimmer bezeichnet seine Bilder selbst als „Ereignis“-Bilder: „Ich übertrage Gesehenes, besser Erlebtes, in Abstraktion und Fiktion. Dahinter steckt der Wunsch, das erlebnisorientierte Bild von der Gegenständlichkeit zu befreien, aus dem Zusammenhang der Zentralperspektive auszusteigen und einzusteigen in reine Farbmalerei“.

Doch eine weitere, nicht nur sinnlich-erlebte, sondern eine geistige Dimension dieses Himmelsbildes ließe sich hier hinzufügen. Denn diese Motivreihe entsteht nach Zimmers erster Indienreise 1990 und der Beschäftigung mit dem Buddhismus. Ab 1973 hatte der Künstler Philosophie und Religionswissenschaften in Berlin studiert, bevor er sich ab 1976 als Autodidakt der Malerei widmete. In der östlichen Philosophie bedeutet der buddhistische Schlüsselbegriff „Nirwana“ wörtlich „verwehen“ und bezeichnet den absoluten Geisteszustand der Erleuchtung. Der Berg Kailash (6638 M. ü. M.) in Tibet ist der heiligste Berg der Buddhisten und bis heute unbestiegen. Auch der Bildtitel Aufklärung gewinnt durch Zimmers biografischen Hintergrund an Mehrdeutigkeit: Aufklärung als Epoche innerhalb der Philosophiegeschichte.Wird nicht nur der Himmel, sondern auch der Geist erhellt?

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