Bernd Koberling  Gesang des Steinesammlers 2/5, 2005, Aquarell (c) VG Bild-Kunst, Bonn 2021

Kunstwerk des Monats: Bernd Koberling "Gesang des Steinesammlers" 2/5

Elke Haan stellt das Kunstwerk des Monats vor: Bernd Koberling, Gesang des Steinesammlers 2/5, 2005, Aquarell, 76,2 x 57,4 cm (c) VG Bild-Kunst, Bonn 2021. Die Jungen Freunde schenkten das Werk 2007 der Kunsthalle. 

Zu der umfangreichen Aquarellserie Gesang des Steinesammlers von Bernd Koberling (* 1938)  gehört auch diese farbenfrohe, lichtdurchflutete und transparent-zarte Arbeit: An der Grenze zur Abstraktion zeichnen sich auf dem weißen Malpapier feine, fast durchscheinende bis kräftige, übereinanderliegende, konturlose Farbformen ab. Vorherrschend sind die Sekundärfarben Orange, Grün, Violett und Pink. Im unteren Bereich des Bildes verdichten sich die Farben zu waagerechten orange-grünen Balken. Darüber steigen verbunden durch diagonale Farbflüsse kreisförmige Strukturen auf, die an botanisch-organische Strukturen erinnern: Sind es Stängel, Blätter, Blüten, die aus einem Erdgrund emporsteigen? Oder, wie der Titel nahelegt, eher Strukturen in Steinformation? Die Farben sind lasierend aufgetragen oder in Nass-in-Nass-Technik ineinanderfließend. Fast scheint es, als sei das Bild mehr durch Zufall entstanden, lässt Koberling doch der Farbe weitgehend ihren freien Lauf, greift nur noch mit dem Pinsel kontrollierend ein.

In den 1970er Jahren lockte Koberlings Künstlerfreund Dieter Roth ihn nach Island, wo er seitdem mehrere Monate im Jahr lebt und arbeitet. Hier lässt er sich inspirieren von der Ursprünglichkeit der rauen Vulkaninsel, sucht Strukturen des Mikrokosmos, auf der Erde kniend, umgeben von Aquarellpapieren auf Klemmbrettern. So kann er an mehreren Blättern gleichzeitig arbeiten. Den Blick zu Boden gerichtet, spürt er dem Werden und Vergehen sowie dem Rhythmus der Natur nach: Moose, Flechten, Steinstrukturen. Dabei sind seine Aquarelle der feuchten Witterung ausgesetzt, die ihrerseits auf das Bild wirkt.

Der in Berlin geborene Koberling gehört zu den Pionieren der expressiv-figurativen Nachkriegskunst und hatte 1960 die Gruppe Vision gegründet, deren Mitglieder wesentlich dazu beitrugen, den Neuen Wilden der 1980er Jahre den Weg zu bereiten. Neben Berliner Großstadtmotiven wird immer mehr die Natur – vor allem die Landschaften Norwegens, Islands und Lapplands – zum Leitthema seiner Kunst. In der künstlerischen Beschäftigung mit ihr sucht Koberling die Quellen unseres Ursprungs und macht zugleich deutlich, wie verletzlich, überaus sensibel und bedroht unsere natürliche Umwelt ist.

Drücke Enter, um die Suche zu starten