Andreas Greiner, Heinrich (totus corpus), 2015,  Ganzkörper-Porträt eines Masthahns, Digitale Photographie © Andreas Greiner, Foto: Theo Bitzer

Kunstwerk des Monats: Andreas Greiner, "Heinrich", 2015

Samira Kleinschmidt stellt das Kunstwerk des Monats vor: Andreas Greiner, Heinrich (Totus corpus), 2015, Tintenstrahldruck, 71 × 50,5 cm(c) VG Bild-Kunst, Bonn 2021. Foto Theo Bitzer. Es war ein Geschenk der Jungen Freunde der Kunsthalle anlässlich der Ausstellung "WILD/SCHÖN. Tiere in der Kunst" (27.2.-26.9.2021).

Heinrich. Das ist der Name des hier porträtierten Masthahns, der 2015 von Andreas Greiner (* 1979) zu einer lebendigen Skulptur erklärt und dessen Recht auf freie Entfaltung vertraglich geregelt wurde, nachdem Greiner ihn aus einem brandenburgischen Großmastbetrieb gekauft hatte. Nun war Heinrich (2015–2016) nicht nur ein Masthahn, sondern auch ein Exemplar einer hybriden Hühnerrasse, deren Muskelanteil über Jahre hinweg in der Züchtung für die industrielle Fleischproduktion optimiert wurde. Das lebende Kunstwerk hat seine Brüder und Schwestern aus dem Großmastbetrieb zwar weit überlebt, doch verstarb der Hahn in der ihm völlig ungewohnten Umgebung nach nur wenigen Monaten an spontanem Herzversagen und blieb somit unter der Lebenserwartung von nicht hybriden Hühnern. Greiner porträtierte Heinrich vor dessen Umzug in den Kleintierbauernhof in Berlin-Tempelhof mehrfach im Fotostudio und schrieb unter anderem dessen Biografie.

Das multimediale Living-Sculpture-Projekt Heinrich ist jedoch mehr als die dokumentarische Aufbereitung eines Hühnerlebens. Der Kern des Kunstwerks ist die konzeptuelle Rückführung der Autonomie eines lebendigen Wesens, das fortan die Gestaltung des Werks essenziell mitbestimmte. Was Andreas Greiner mit dem Projekt Heinrich ebenfalls gelingt, ist das individualisierte Subjekt wieder sichtbar zu machen, das in der Lebensrealität der konventionellen Fleischindustrie lediglich als barcodierte Ware in Erscheinung tritt und ansonsten völlig ausgelöscht scheint.

Das fotografische Porträt Heinrich (Totus corpus) von 2015 ist in der Ausstellung wild/schön. Tiere in der Kunst als Exponat im Kontext menschlicher Ausbeutung der Tierwelt ausgestellt. Greiners Ansatz sieht vor, die anthropozentrische Haltung gegenüber Lebewesen durch wissenschaftlich‑ästhetische Umkehrungen infrage zu stellen. Das Werk wurde im Rahmen der Ausstellung 2021 von den Jungen Freunden angekauft. Somit ist seine Arbeit nicht nur für die Themenausstellung von besonderem Interesse, sondern letztlich auch als junge, zeitgenössische Position eine Bereicherung des Sammlungsbestands. Die Verortung des Menschen in seiner Umwelt, dessen Verantwortung und folglich die Frage nach dem Verhältnis von Mensch und Natur zieht sich als roter Faden durch die modernen und zeitgenössischen Werke, die die Kunsthalle sammelt.

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