In diesen Tagen wäre es eigentlich wieder so weit: immer im August findet die jährliche Museumsnacht statt, leider muss sie zum zweiten Mal coronabedingt ausfallen. Vor mehr als 20 Jahren gab es die erste lange Nacht in der Kunsthalle. Bald darauf schlossen sich das Landesmuseum und weitere museale Institutionen an, und heute ist der Termin bei Kunstfans Kult, die große Emder Museumsnacht am zweiten Wochenende im August , flankiert von "Emden à la Carte", dem kulinarischen Festival der Emder Gastronomie. Ilka Erdwiens hat die Veranstaltung für die Kunsthalle von Anfang an verantwortet und ist ist begeistert, das nun die Jungen Freunde die Organisation ab 2022 übernehmen. Hier beschreibt sie, was die Museumsnacht der Kunsthalle so besonders macht.
Warum gibt es die Museumsnacht?
"Ein lebendiges Haus" ist das Leitmotiv der Kunsthalle, das uns Henri und Eske Nannen aufgegeben haben. Und ein schöner Abend mit Leuten, die sich für Kunst und Musik interessieren, gute Gespräche, Party, Tanzen - wie könnte es lebendiger sein! Zudem können wir an diesem Abend das Haus mal etwas anders präsentieren, vielleicht zugänglicher für Leute, die sonst nicht in die Kunsthalle kommen. Wir haben ja immer Aktionen gemacht wie auch den straßenweisen Nachbarschaftstreff, um gerade den Menschen aus Emden und Umgebung zu sagen: dieses Museum ist für Euch, genau Ihr seid uns willkommen. Dieser Funke springt natürlich an so einem Abend bei einem Bier oder Glas Wein leichter über.
Was ist in Emden anders als bei den Museumsnächten in den Metropolen?
Dort herrscht oft ein enormer Andrang, das Partyevent steht stark im Vordergrund. Teilweise gibt es Diskussionen, ob die vielen Gäste, die kaum Augen für die Kunst haben, nicht eine Gefahr für die Werke sind. Das ist hier anders. Unsere Gäste kommen auch wegen der Musik und der tollen Bar, aber es fällt auf, dass viele bis in die späte Nacht hinein auch sehr aufgeschlossen für Kunst sind, Führungen und Workshops mitmachen und es genießen, einfach mal Zeit dafür zu haben. Da gibt es kein Gedrängel, alles ist entspannt, und die Gäste sind sehr freundlich, interessierte und interessante Leute aus unterschiedlichsten Lebensbereichen und Altersgruppen.
So eine lange Nacht ist sicher eine Herausforderung für das Team, das am nächsten Tag wieder in den regulären Betrieb geht, oder?
Auf jeden Fall ist es eine große Anstrengung, die absolut nicht selbstverständlich ist. Von unserem Team war ich immer wieder begeistert. Aber es ist eben auch eine starke gemeinsame Aktion. Jeder packt an, die Kunsthistorikerinnen zapfen Bier, die Restauratorin lässt Kinder durchs Mikroskop schauen, die Ehrenamtlichen sorgen für eine sagenhafte Bewirtung des Teams und der Bands, die Technik macht eine super Lichtinstallation, andere Freunde des Hauses leiten selbst Angebote wie die Leselounge von Katharina Lühring. Die T-Shirts fürs Team werden von unserem Grafik-Büro und Werbetechnik-Partner gesponsert, Emder Kulturschaffende wie Urmel Meyering helfen mit Kontakten und auch mal mit grandioser Bühnengestaltung. Vom Weinhändler bis zu den Soundtechnikern: für alle ist es eine ganz besondere Veranstaltung, die Atmosphäre ist einfach sehr familär.
Gab es auch Pannen?
Na klar! Zum Beispiel hatte ich vor Jahren bei einer spektakulären Feuershow von Sir Henry Hot nicht alle Behörden rechtzeitig vorgewarnt - das gab vielleicht eine Standpauke! Anderes ist nicht ganz so tragisch: so würde ich nie wieder Cocktails, die viele Säfte und Früchte beinhalten, auf die Karte setzen, weil sie die Bar sofort ins klebrige Chaos stürzen. Und ein anderes Mal war der (große) Weinvorrat schon um 22 Uhr auf. Zum Glück war der Händler da und besorgte kurzerhand mit der Sackkarre Nachschub aus seinem Laden. Am schwierigsten war oft das ostfriesische Wetter, das hat auch schon manche tolle Outdoor-Idee wie nächtliche Bootstouren zum Scheitern gebracht. Aber unsere Gäste nehmen sowas mit Humor.
Gab es ein persönliches Highlight?
Das kann ich gar nicht sagen, es gab ja in all den Jahren so viele tolle Aktionen und künstlerische Angebote: die Trommler von Samba Absurdo, die großen Emder Chöre, tolle DJs und ganz junge Musiker und Bands aus der Umgebung, Tourismus-Partner, die in voller Tracht Aal vom Zwischenahner Meer an die Gäste verteilten, Salsa- und Tango-Bands, die die Ostfriesen zum Tanzen brachten, Live Kunstperformances und Aktmalerei Workshops, Videoprojektionen, Kurzfilme, Dance Acts und Theater, tolle Musik von beispielsweise Heiko Ahrend, Samuel Anthes, Sue aus Aurich oder den Emder Bands in der Apollo-Nacht, der unfassbar liebenswerte Otto, die kreativen Aktionen für Kinder, mit denen Andrea Barghoorn oft auch die Erwachsenen aus der Reserve lockte.
Aber an eine Aktion denke ich besonders gern: unser damaliger Kollege Tilman Treusch bot im weißem Kittel und Stethoskop seelische Beratung für Besucher an, die mit moderner Kunst nicht klarkommen. Zum Trost verarztete er sie mit Tee und Bonbons in seiner kleinen Sperrholz-Praxis. Das war natürlich augenzwinkernd gemeint - und hat doch bis in die tiefe Nacht zu ganz tiefgründigen Gesprächen über Kunst geführt. Genau das passiert durch diese besondere Stimmung, das Phänomen, dass wir ja in der Nacht anders sehen, denken, sprechen als wir es am Tage tun. Ich finde es wunderbar, wenn wir wir mit der Museumsnacht unseren Gästen dafür einen Raum und Anregungen schaffen können..
Wie geht es in 2022 weiter?
Das liegt nun ganz bei den Jungen Freunden um Lena Waldmann und Marike Schmidt. Sie haben freie Hand und können mit neuen Ideen die nächste Stufe zünden! Beide kennen das Haus und seinen Spirit, sie sind schon seit Jahren dabei, teils auch bei der Museumsnacht. Es ist nun der richtige Moment: die Zeiten ändern sich, die Gäste und ihre Interessen auch, und ich finde es wunderbar, dass die Kolleginnen bereit sind, die Veranstaltung jetzt mit frischem Elan zeitgemäß weiter zu entwickeln. Ich freue mich sehr auf die Museumsnacht 2022!