Michael Kühn ist Kaufmännischer Direktor der Kunsthalle Emden und Vorstandsvorsitzender der Stiftung Henri und Eske Nannen und Schenkung Otto van de Loo. Im Interview für den Jahresbericht 2022 beschreibt er Chancen und Herausforderungen für das Haus.
Die Kunsthalle Emden wird von einer gemeinnützigen privaten Stiftung getragen, wie auch einige andere deutschen Museen, die von kunstsinnigen Privatpersonen gegründet wurden. Was unterscheidet die Kunsthalle von anderen Häusern?
Hinter der Kunsthalle stand nie eine Person oder ein Unternehmen mit großem Vermögen. Sie war von Anfang an eine gemeinschaftliche Anstrengung, für die die Nannens viele Helfer und Mitstreiter gewonnen hatten. Insofern ist sie ein bürgerschaftliches Projekt im engsten Sinne. Henri Nannen gab zwar neben seiner Sammlung auch sein Privatvermögen in die Stiftung. Doch schon die Errichtung des ersten Hauses war nur mit zusätzlichen öffentlichen Mitteln und vielen Spenden möglich, insbesondere aus der Region - auch Sachspenden von Ziegelsteinen bis zu Dienstleistungen. Und nur so konnten auch die folgenden Erweiterungsbauten verwirklicht werden. Hinzu kommt, dass wir bis heute viele langjährige ehrenamtliche Helferinnen und Helfer in vielen Bereichen des Hauses einsetzen können.
Ebenso war schon bei der Gründung der Kunsthalle deutlich, dass auch das Stiftungskapital nicht für den laufenden Haushalt eines Museums ausreichen würde. Gab es auch dafür von Anfang an von so vielen Seiten Unterstützung?
Irgendwann erkannte man die einmalige Chance, ein hochrangiges kulturelles Angebot an einem Standort zu verwirklichen, an dem es sonst vermutlich niemals ein solches Angebot gegeben hätte. Vor allem die Freunde der Kunsthalle halfen uns sehr. Ähnlich, wie sich die Menschen hier vor vielen Generationen ihr eigenes Land geschaffen haben durch Entwässerung und Deichbau, so helfen heute viele Menschen und Unternehmen mit und haben daran Anteil, dass es hier ein Kunstmuseum gibt…. Die Förderung ist zudem auch eine Investition in die Region. Eine solche Investition muss gepflegt werden, um den gewünschten Output dauerhaft zu erhalten. Ein Kunstmuseum mit dem entsprechenden Sammlungs- und Ausstellungsbetrieb mit den zugehörigen Vermittlungsaktivitäten ist schon sehr aufwändig.
Inwiefern ist Kulturförderung eine „Investition in die Region“?
Die Mittel, die in die Kunsthalle Emden investiert werden, fließen vor allem in die Region. Sie schaffen ein hochrangiges Kultur- und Bildungsangebot für die Menschen vor Ort, gute und vielseitige Arbeitsplätze, Aufträge an regionale Unternehmen und steigern mit dem Bekanntheitswert und dem Image auch die Attraktivität des Standorts Ostfriesland für die Gewinnung von Fachkräften. Zudem tragen sie zur Entwicklung von höherer Wertschöpfung im Tourismus in der Region bei: laut vieler Erhebungen liegen die pro Kopf-Ausgaben für Tanken, Essen, Einkaufen usw. eines Tagestouristen ohne Übernachtung im Durchschnitt bei 29,90 €, bei ausgewiesenen Kulturtouristen sind es 37,00 €. Ein interessantes Kulturangebot zieht diese Gäste an.
Über die Jahre ist es gelungen, die öffentliche Hand davon zu überzeugen, feste jährliche Förderbeträge zu geben. Warum braucht die Kunsthalle dann noch zusätzliche Unterstützung von Privatleuten und Unternehmen?
Die Zuschüsse von Land, Stadt und Landkreisen decken ca. 50 % unserer Ausgaben. Das sind wichtige und konstante Grundfinanzierungen, für die wir sehr dankbar sind. Trotzdem steigen auch unsere Kosten ständig, zudem müssen wir die andere Hälfte unserer Ausgaben noch irgendwie decken. Dazu tragen die Einnahmen aus dem Ausstellungsbetrieb natürlich bei, aber das kann bei keinem Museum ausreichen. Zusätzliche Projekte sind nur mit Sponsoring und Förderungen möglich. Außerdem sind uns unsere vielfältigen Angebote für kulturelle Bildung sehr wichtig. Hier möchten wir auch in Zukunft unseren Beitrag für die Gesellschaft leisten.
Es war schon einiges vom „Zukunftsprojekt“ der Kunsthalle zu lesen, der nächsten großen Umbaumaßnahme, die das Haus nachhaltig, digital und barrierefrei machen und das Kulturerlebnis für die Gäste erweitern wird. Diesmal fördert der Bund großzügig – wird für dieses Projekt weitere Hilfe benötigt?
Ja, Hilfe wird gebraucht, denn seit der Zusage in 2019/2020 sind die Baukosten massiv gestiegen, das ist ja allgemein bekannt. Wir wollen die Chance nutzen, das Haus auf viele Jahre zukunftssicher zu machen, zumal dann auch Energiekosten beherrschbarer werden. Wie bereits gesagt, wir sind eine private Stiftung. Alles was jetzt in Ordnung gebracht und modernisiert werden kann, entlastet in der Zukunft unseren Haushalt. Das ist eine wirklich gute Investition!